Wie müssten Medizingeräte konzipiert und konstruiert sein, damit sie auch außerhalb der medizintechnischen Industrie über alternative Wertschöpfungsketten – zügig und regional skalierbar – produziert werden können? Die Antwort lautet AuraSpe – ein Beatmungsgerät, das aus verfügbaren, extrem verlässlichen Komponenten aus dem Bereich der Automationstechnik konstruiert ist. Das Gerät bietet außerdem eine erheblich vereinfachte Bedienung. Informationen werden übersichtlich dargestellt und Einstellungen können intuitiv vorgenommen werden. Davon profitieren ungeschulte Hilfskräfte und medizinisch ausgebildetes Personal gleichermaßen.
AuraSpe wurde aus Komponenten entwickelt, die schon jahrelang in der Industrie ihren Dienst verrichten. Das bestehende Wissen über die Komponenten und die hoch optimierten Produktionsprozesse aus der Industrie ermöglichen eine schnelle Entwicklung und Umstellung auf die Herstellung des Beatmungsgerätes.
Das Beatmungsgerät wurde gemeinsam im interdisziplinären Team entwickelt. Eine Schlüsselrolle hatte dabei unser Kollege Albert Linder mit seinem beruflichen und akademischen Know-how als Thoraxchirurg und Physiker. Seine Erfahrung und die Hilfsbereitschaft von erfahrenen Medizinern, Forschern und Klinikern im Netzwerk, erlaubten es schnell ein Konzept zu entwickeln, das alle lebenswichtigen Funktionen für eine angemessene Sauerstoffversorgung von Covid-19 Patient_innen abdeckt.
Features
Wenn die Intensivstationen überlastet und voll mit hoch infektiösen Patient_innen sind, muss das Patientenmonitoring effizient, sicher und flexibel sein. Daher ist AuraSpe von Grund auf digital und vernetzt gedacht. Eine Anbindung an bestehende Infrastrukturen wie Datenbankensysteme oder Apps ist ohne weiteres möglich. Mittels eigenständiger App können alle Daten mobil eingesehen und überwacht werden. Gleichzeitig kann das Personal bei Verdacht oder bei Notfällen schnell und effektiv gewarnt werden.
Wie viele andere beherzte Initiativen im Frühjahr 2020, ist auch unser Beatmungsgerät aus einem Impuls heraus entstanden – in Erwartung, dass die erste Corona-Welle in Deutschland bald genauso wüten würde, wie anderenorts. Im Gegensatz zu den vielen Bastellösungen aus dem 3D-Druck, war unsere Idee, die vorhandenen Kompetenzen der Region zu bündeln und sie in einen neuen Kontext zu heben.
Es sollte ein möglichst einfach bedienbares Gerät werden, das sich in den freistehenden Produktionslinien des baden-württembergischen Mittelstands aus bewährten Industrie-Komponenten schnell fertigen lässt – abseits der völlig überforderten globalen Lieferketten der Medizintechnik. Das Herausfordernde an der Situation war, in Windeseile zu innovieren und dabei gleichermaßen sorgfältig zu arbeiten. Und das unter den volatilen Rahmenbedingungen der Zeit: Erstens verlief und verläuft der medizinische Erkenntnisgewinn parallel zu unseren Entwicklungen und zweitens erschwerten regulatorische Unsicherheiten in der Notstandssituation das Arbeiten.
„In einem Umfeld, das sich so schnell wandelt, eine Lösung zu entwerfen und umzusetzen war extrem anspruchsvoll. Gleichzeitig war es inspirierend mit den starken Limitierungen zu arbeiten.”
Interdisziplinäres und agiles Zusammenwirken waren dabei sehr hilfreich. Ein fertiges Skript für eine Entwicklung dieser Art gab es jedoch nicht, wir haben es mit jedem Tag neu geschrieben. Ein wichtiges Moment im Prozess war der vertrauensvolle Austausch mit vielen unterschiedlichen Netzwerkpartner_innen. Die so gewonnene Erfahrungsvielfalt hat unseren Pfad entscheidend mitgeformt. In wenigen intensiven Wochen konnte der Proof of Concept über präklinische Tests erbracht werden. Im Simulationszentrum des Klinikums Stuttgart stieß unser Durchstich auf große Begeisterung.
Durch den relativ positiven Pandemieverlauf in Deutschland gab es glücklicherweise keinen Anlass für die Bundesregierung Beatmungsgeräte über den Wege einer Sonderzulassung nach §11 MPG zertifizieren zu lassen. Eine der zentralen Arbeitshypothesen ist nicht eingetreten. Obgleich dringender Bedarf anderorts unverändert besteht, würde eine Zulassung auf normalem Wege zwei Jahre dauern. Deshalb haben wir uns entschieden, die Serienentwicklung von AuraSpe on hold zu setzen, solange sich in Deutschland kein erneuter Notbedarf abzeichnet. Fürs nächste Mal sind wir gut vorbereitet.
„Magie passiert wenn Kompetenz und Kooperation zusammentreffen. Die Idee von AuraSpe hat in Windeseile enorme Hilfsbereitschaft ausgelöst und ein effektives Team geschmiedet, das weit über Intuity hinaus wirksam war. Nur so war es möglich.”
Auch wenn das schnelle und agile Entwickeln von Lösungen eine der Kernkompetenzen von Intuity ist, war AuraSpe aufgrund der Umstände etwas grundlegend Neues – mehr Mission als Projekt. Durch offene Zusammenarbeit innerhalb des Teams und mit externen Partner_innen kann ein Produkt wie AuraSpe Wirklichkeit werden.